Die Krisen in Asien, Rußland oder Brasilien lassen bereits seit geraumer Zeit Rufe nach einer Neu-Ordnung der von Turbulenzen geschüttelten Finanzmärkte laut werden. Große Lösungen sind nicht in Sicht, berichtet Vanessa Redak.
Die unterschiedlichen Vorschläge für Reformen sollten nicht nur diskutiert werden, sondern auch in eine konkrete Beschlußfassung münden. Das Ergebnis fiel jedoch eher mager aus. Denn wer nicht mehr weiterkann, delegiert an einen Mann: Dem Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Andrew Crocket – so die G-7-Übereinkunft – obliegt es von nun an, das neu gegründete „Forum für Finanzstabilität“ zu leiten, im Rahmen dessen ausgewählte ExpertInnen aus Geld- und Finanzkreisen in Hinkunft über die Probleme des globalen Finanzsystems zu diskutieren haben.
Aber – war da nicht noch was? Eine internationale Regulierungsbehörde, mehr Transparenz, „a new Bretton Woods for the new millenium“ (Tony Blair), „radikale“ Devisenbewirtschaftung (US-Ökonom Paul Krugman), Kapitalverkehrskontrollen, Tobin-Steuer, …?
Von all den Vorschlägen, die unlängst aus allen Ecken und Enden in Bezug auf Finanzmarkt-Regulierung angestellt wurden, einigten sich die G-7-Staaten letztendlich auf eine Minimallösung und erteilten damit all jenen Menschen, die in jüngster Zeit intensiv an derartigen Reformvorschlägen gearbeitet haben, vorerst eine Abfuhr. Das erstaunt insofern, als mittlerweile zahlreiche dieser Lösungsansätze aus den „eigenen Reihen“, von Finanzministern und Notenbankchefs, Weltbankökonomen und Entwicklungsbankern kommen. Gemäß Interessenlage reichen diese Vorschläge von eher sanften Eingriffen, die noch schwer an die Selbstregulierungskraft von Märkten glauben, bis hin zu radikaleren Reformen, deren Einführung den gewohnten Gang der Dinge doch ziemlich beeinträchtigen dürfte.
Welche Vorschläge werden nun am häufigsten vorgebracht?
Selbstregulierung durch Business Ethics:
Der Vorschlag mit dem geringsten Regulierungsbedarf „von oben“ zielt auf den
good will der einzelnen, am Finanzmarkt tätigen Unternehmen. Durch
freiwillige Selbstkontrolle und verstärktes Risikomanagement verpflichten sich
diese, gezielt spekulativen Geschäften vorzubeugen und sozusagen einen
geordneten Gang der Dinge zu gewährleisten.
Dazu werden etwa zunehmend ausgefeilterer Modelle zur Risikoabschätzung
entwickelt, die mittlerweile ganze Abteilungen von Banken und
Investmentfirmen beschäftigen, und für die sich beizeiten sogar ein Nobelpreis
(Scholes/Merton 1997) einheimsen läßt.
Mehr Transparenz: Der Ruf nach mehr Transparenz bei
internationalen Finanzgeschäften wird von mehreren Seiten geäußert und hat
durchaus unterschiedliche Stoßrichtungen. Denn zum einen fordern
Regierungen wie internationale Organisationen (IWF) detailliertere Einsicht in
die Geschäfte von Banken und Investmentfirmen sowie die Einhaltung gewisser
Mindeststandards, um das Risikopotential der einzelnen Institutionen besser
einschätz- und damit handhabbar zu machen.
Erste Ansätze dazu wurden im Gefolge der Bankenkrise in den USA in den
achtziger Jahren entwickelt, wie etwa das Baseler Übereinkommen von 1988,
wonach Banken über ein bestimmtes Mindesteigenkapital verfügen sollten.
Doch umgekehrt rufen auch genau diese Unternehmen nach verstärkter
Transparenz, jedoch nicht nach der eigenen, sondern jener von Staaten. Einem
Bericht des Institute of International Finance (IIF) – ein Zusammenschluß der
weltweit wichtigsten Banken und Investmentfonds – zufolge liegt nämlich die
Schuld für die derzeitigen Finanzkrisen bei Regierungen, die „ernsthafte
politische Fehler“ begangen und damit das Vertrauen der internationalen
Anleger in ihre Märkte erschüttert hätten.
In Zukunft mögen die derart gerügten Staaten doch möglichst vorzeitig
und rasch über ihre jeweilige Finanzlage (insbesondere ihren Stand an
Devisenreserven) unbürokratisch Auskunft geben, wenn möglich in „einem
direkten Dialog zwischen den Regierungsverantwortlichen und dem
Privatsektor“, um „eine verstärkte Einbeziehung des Privatsektors in das
Krisenmanagement“ zu ermöglichen.
Aufsichtsbehörden: Um die Forderung nach mehr Transparenz
auch tatsächlich durchsetzen zu können, bedarf es manchen Reformern zufolge
neuer institutioneller Einrichtungen, wie eben internationaler
Aufsichtsbehörden, die mit genügend Macht und Kompetenz ausgestattet sind,
globale Standards zu kontrollieren und gegebenfalls zu dekretieren.
Kapitalverkehrskontrollen: Dabei unterliegen Ein- bzw. Ausfuhr
von Kapital gewissen Beschränkungen. Bekanntestes Beispiel in diesem
Zusammenhang stellt Chile dar, das ab 1991 Kapitalzuflüsse einer einjährigen
Reservepflicht von 30% unterwarf. Damit sollten kurzfristige Investitionen, die
der Volatilität auf Finanzmärkten Vorschub leisten, beschränkt und
Auslandskredite mit kurzer Laufzeit unterbunden werden.
Die Maßnahme war auch erfolgreich, wurde aber zuletzt wegen der stark
negativen Leistungsbilanz wieder aufgehoben.
Devisenbewirtschaftung bzw. Devisenkontrolle: Die
Devisenkontrolle unterwirft Exporterlöse der partiellen bis vollständigen
Verfügung des Staates und seiner Institutionen. Nicht selten ist auch von
Devisenzwangswirtschaft die Rede, da sie ihren liberalen Kritikern zufolge eine
starke Einschränkung internationaler Kapitalströme darstellt.
Doch gerade angesichts der Asienkrise wurde die Forderung nach (zeitlich
begrenzten) Devisenkontrollen in einem vielbeachteten Artikel („It’s time to get
radical“, Fortune, 7. 9. 1998) von Paul Krugman, dem ewig gewitzten Zampano
der Ökonomen-Szene, vorgebracht.
Vorbeugung von Krisen: Die jüngsten Finanzkrisen waren für die
betroffenen Staaten und die internationalen Organisationen sehr teuer: Riesige
Geldsummen wurden den internationalen Anlegern zur Stützung der in die
Krise geratenen Währungen in den Rachen geworfen – letztlich ohne den
Zusammenbruch verhindern zu können.
Alle sind sich einig, daß es so nicht weitergehen kann. Aber alle Vorschläge
sind umstritten. Der Ausbau des IWF zu einem „lender of last resort“
(Refinanzierungsinstitut der letzten Instanz) könnte die Märkte zu noch
größerer Risikofreude veranlassen, da sie stets auf den Feuerwehrmann IWF
zählen könnten.
Die vielfach geforderte Einbeziehung der privaten Gläubiger in
Krisenlösungsmechanismen stößt auf den Widerstand der AnlegerInnen, die im
Ernstfall lieber nach dem Prinzip „Rette sich, wer kann“ um die Wette aus einer
Währung flüchten. Erst recht opponieren sie gegen die Einführung eines
internationalen Insolvenzverfahrens für Staaten, das wie bei
Privatschuldern im nationalen Rahmen Schuldennachlässe bei
Zahlungsunfähigkeit gemäß einem geordneten Verfahren ermöglichen könnte.
Tobin-Tax: Jolly Joker im Reigen der Reformvorschläge ist die
nach dem Ökonomen und Nobelpreisträger James Tobin benannte Steuer auf
Finanzmarkttransaktionen. Ursprünglich lediglich als Steuer auf
Devisengeschäfte gedacht, wird heute durchwegs in Erwägung gezogen, sie
auch auf andere kurzfristige Kapitaltransaktionen anzuwenden. Ziel dieser
Steuer ist nicht, globale Kapitalströme generell einzuschränken, sondern – so
Tobin – erstens die Transaktionen zu verlangsamen und in Richtung langfristige
Geschäfte zu verschieben und zweitens, Handlungsspielräume für eine
autonome makroökonomische und Geld-Politik zu gewinnen.
Nicht zuletzt gilt jedoch nicht nur für die Tobin-Steuer, sondern auch für die meisten anderen Maßnahmen, daß deren Implementierung weniger eine Frage der Technik, als vielmehr eine des politischen Willens ist. Daß die Einrichtung des oben erwähnten „Forums für Finanzstabilität“ allerdings weniger dem Motto „Wo ein Wille, dort ein Weg“ folgt, sondern viel eher in eine Sackgasse führt, darf angenommen werden.
Vanessa Redak arbeitet am Institut für Raumplanung der Wirtschaftsuniversität Wien und ist BEIGEWUM-Mitglied.
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